Montag, 10. Juli 2006
Zur Tanke gehen
3 Uhr 30 Blick durch Jalousienspalten in eine Erdgeschoßwohnung, kaltes Neonlicht. Ein Pärchen streitet sich in einer osteuropäischen Sprache, Kindergeschrei. Vielleicht sind sie davon wach geworden? Oder der Mann ist besoffen nach hause gekommen. Oder die Frau? Ich überlege, wie lange sie schon hier sein mögen, verzweifelt in einem fremden Land zwischen Umzugskartons. Auf dem Weg zurück ist das Licht aus.

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Afrikanischer Kiosk
Unglaublich, wie lang man brauchen kann, um den Preis für 4 Bier, eine Schachtel Zigaretten, Feuer und ein Snickers auszurechnen. Ausser mir hats im afrikanischen Kiosk und Telefoniershop keiner eilig. Das Palaver auf Padwa oder Französisch mit dem Kollegen, der zu Besuch ist, ist auf jeden Fall wichtiger. Als deutscher Effizienz-Fanatiker geh ich denn doch zum italienischen Kiosk nebenan. Ausser nach 11, da verkaufen die Afrikaner noch hinter geschlossenen Rolläden.

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Deutsches Pärchen
Er, Jogging-Hose, knallgelbes Käppi und den Kinderwagen schiebend, brüllt zu ihr, die an der nächsten Strassenecke steht: "Haste Geld?" "Ja.." "Warum holste dann nich was beim Bäcker? Bist du behindert?!" "Du bist behindert!! Der Bäcker hat zu!!"

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Bisexuelle kommunistische Iraner
Ich saß im Stadtgarten, als ein dicker und ein schmächtiger Typ mir zunächst einen Schluck Bier und dann eine Tüte anboten. Ich war entspannt und sorglos und zog mit ihnen los an eine ruhigen, ungestörten Platz. Die Tüte wurde gebaut, geraucht, und der Dicke erzählte, dass der schmächtige vor Jahren aus dem Iran hatte fliehen müssen, weil er Kommunist war. Nun lebe er in Deutschland und sei mit einer Iranerin verheiratet. Bald stockte das Gespräch, und der Dicke fragte mich, ob der Iraner mir einen blasen dürfe. Ich lehnte dankend ab, worauf, der Iraner anfing zu weinen. Zeit zu gehen. Der Dicke lief noch ein Stück neben mir her und meinte: "Der war dir zu direkt, oder?" und später andeutungsvoll: "Ich habe ja zwei Wohnungen in dieser Stadt?" Zeit noch einen Schritt schneller zu gehen. ... comment ... bearbeiten

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Mein Vermieter
Mein Vermieter ist ein Herr um die 65 Jahre. Oft sieht man ihn mit gebeugtem Gang, schütterem und zerzaustem weißem Haar, Brille mit seinem Shopping-Trolley auf dem Weg von oder zu seinen zahlreichen Besorgungen. Er trägt Hosen, die oft schon etwas flecking sind, Hemd, beigen Trenchcout und einen braunkarierten Hut. Wenn man sich mit ihm im Treppenhaus unterhält, ist er meist gerade auf dem Weg zum Klever Friedhof. Dort liegen seine Eltern begraben, die ihm das Haus vererbt haben. Bis auf seine Zeit im Musikstudium hat er vermutlich immer in diesem Haus gelebt, seine zwei Wohnungen quellen über von Möbeln, Akten und Noten. Auf dem Klingelschild zu seiner zweiten Wohnung steht "Harmonielehrestudio". Wenn man die Unterhaltung mit Herrn B beenden will, muß man einfach weitergehen, man hört dann noch Herr Bs "Ja Ja"a und "Ach ach". Er kennt es wohl gar nicht mehr, Gespräche normal zu beenden. Gar nicht so selten hat Herr B Damenbesuch, auch zu später Stunde. Der Putzhilfe gibt er Gesangsunterricht. Auch wenn er einen ziemlich verwirrten Eindruck macht, kümmert er sich einigermaßen um das Haus, und wenn es darum geht, die Versicherung zu bescheißen, blitzt Bauernschläue in seinen Augen auf. Was ist das 'Wagner-Projekt', das er öfter erwähnt?

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Lemmi Der Mann wo auf der Strasse sitzt
Nennen wir ihn Lemmi. Kurz gebaut, speckige Lederjacke, Stiefel, Vollbart mit großem Schnäuzer, schwarze Haare auf der knolligen Nase Riesige Fliegersonnenbrille, schwarz, Rocker-Blechhelm auf dem Kopf. Gegen Mittag kreuzt er mit seinem uralten 50er Moped auf und setzt sich auf einen Stuhl vor das Internetcafe Gladbacher 240. Egal ob man beim kommen und gehen grüßt, das wetter toll ist oder nicht so toll, kriegt man immer die gleiche Antwort, und die heißt "Jou!". Warum sitzt er eigentlich jeden Tag dort vor dem Haus, meist alleine? Seine Wohnung ist ja offensichtlich woanders. Manchmal hat er auch einen Schlapphut auf, mit dem er Räuber Hotzenplotz nicht unähnlich sieht, und neulich stand er mit Pickelhaube vorm Schlecker. Ein bis zweimal am Tag bläst er auf einen Plastikrohr einen Fanfare.

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